Helga Timm

 

Z5 ©Alexandra Rojas

Foto: Alexandra Rojas Gonzáles, 2016

Geboren in Frankfurt (Oder)

 

 

„Also er war auf dem schon Gebiet Meister [Rudi Graßmann, Anm.,

d. Verf.], er konnte schon Schnaps machen. Und das hat mich damals

in jungen Jahren interessiert, ich war erst 19. Und dann habe ich gesagt:

Den Mann, den heiratest Du! Und dann ist es so gekommen, dass wir

hier unten [Wohnhaus Gubener Str. 9, Anm. d. Verf.] eine Wohnung

bekommen haben, gleich Parterre. Die Fenster hier hinten waren

einmal Küchenfenster, einmal Schlafzimmer und nach vorne raus

hatten wir ein riesengroßes Wohnzimmer. Und dann habe ich gleich

eine Tochter bekommen, Iris Graßmann. Und dann ging es ganz gut –

bis es nachher nicht mehr ging, weil der Teufel meinen Mann zum

Alkoholiker gemacht hat, zu dieser Zeit. Und das konnte ich dann

nicht mehr mit ansehen oder nicht mehr miterleben und dann habe

ich gesagt: Ich muss mich scheiden lassen, es ist schade darum.

Dann sind wir auseinander gegangen. Schade, dass es so gekommen ist,

aber was soll man machen. Aber zu der Zeit hier – ganz prima,

glücklich. Vor allen Dingen hat man hier viel gehabt zum Angucken

und war mitten in der Stadt. Also es war herrlich. Und ich würde

nur sagen, wenn hier die Studenten etwas zurechtkriegen würden,

wäre das die günstigste Gelegenheit für die Studenten, mitten in

der Stadt etwas zu organisieren.“

 

„Das ist also auch das, was Sie dem Objekt wünschen?“

 

„Das wünsche ich! Ehe alles verrottet, sollte man es doch mal in die

Hand genommen haben. Wir haben so oft schon gesagt: Guck dir

das an, wie das alles hier verkommt, es wäre schade darum.“

 

„Also so etwas Persönliches für Sie, aber auch für die Stadt

Frankfurt hat es etwas Besonderes?“

 

„Ich weiß nicht, wie die anderen Frankfurter darüber denken, sonst

hätten sie doch schon längst mal eine Kleinigkeit gemacht mit diesem

Grundstück. Denn es ist ja ein großes Grundstück, nach hinten ist ja

noch ein Garten dran. Also ich weiß nicht, wie die Frankfurter sich das

mal gedacht hatten. Aber wenn das jetzt so ist, dass das jetzt von den

Studenten gemacht wird... Das sind junge Leute und die haben wirklich

noch Elan und die sagen nicht: ‚Hm, jetzt sind wir alt und jetzt machen

wir nichts mehr’.“

 „Wie war das denn nach 1945, wann hat Ihr Mann das erworben?“

 

„Ab 1945 war es ja in Graßmann-Hand. Meine Tochter ist 1960 geboren –

bis 1960 war er auch noch hier der Chef, also der Inhaber, mein

Schwiegervater. Nicht mein Mann, der war nur Mitarbeiter, er war

angestellt hier. Und dann hat er das wahrscheinlich übergeben an

irgendwelche Leute, die das weitergeführt haben. Und dann war das –

na wie sagt man...“

 

„Enteignet sagt man [Tochter von Frau Timm, Anm. d. Verf.]?

In den 1960ern können sie es auch enteignet haben.“

 

„Na ja, da waren mehrere Leute hier, die dann angestellt waren

und die dann Chefs waren und so. Ich kann jetzt nicht sagen, wann

es ins Städtische übergegangen. Ich weiß nur, als mein damaliger

Mann gestorben war, ich mich beim Gericht erkundigt habe, ob meine

Tochter da eventuell ein Erbe darauf hat. Weil es ja ein großes

Grundstück ist. Aber da haben wir nichts gekriegt, weil er wohl

festgelegt hat, nein seine Frau – der war dann wohl wieder

verheiratet – seine Frau bekommt alles, sie ist Alleinerbe.

Meine Tochter ist so weggegangen, nicht. Sie wäre gerne heute

mit hierhergekommen, aber sie wohnt jetzt in Stuttgart und

das ist sehr weit weg.“

 

Frau Timm, vielen Dank für das Interview.“