Detlef Henoch

 

Foto: Alexandra Rojas Gonzáles, 2016

Geboren in Frankfurt (Oder)

 

 „Was verbinden Sie mit dem Ferdinandshof, besondere persönliche

Erinnerungen und Erlebnisse?“

 „Erstmal sind es für mich wunderschöne Erinnerungen: Ich habe

im Jahr 1964, in den Winterferien, da war ich in der 9. Klasse, mit

zwei Klassenkameraden hier gearbeitet. Früher war es ja so, dass

man in den Ferien arbeiten gegangen ist und sich ein paar Pfennige

dazuverdient hat. Und dann haben wir 14 Tage hier gearbeitet und

waren praktisch ‚Mädchen für alles’. Wir haben ausgefahren,

Flaschen gereinigt, Weinballons transportiert von A nach B. Und

während dieser Zeit hatte ich einen Unfall – einen leichten Unfall:

Ein Weinballon ist kaputt gegangen und ich hatte eine große

Schnittwunde. Dann war es so gewesen, dass ich von da an dieses

Sozialversicherungsbuch hatte, das habe ich noch hier. Da ist der

Stempel von Willi Graßmann drin, von diesem ‚Verein’, der hier

früher war. Diese Geschichte bleibt einfach im Kopf haften. Ich

hatte zu dem Zeitpunkt noch gar keine Sozialversicherung, weil

ich ja noch Schüler war. Und dadurch, dass der Unfall war,

musste ich verarztet werden und dadurch ist das mein erstes

Buch gewesen.“

 „Hat der Ferdinandshof für Sie Denkmalwert?“

 „Ja, auf jeden Fall! Unweit von hier bin ich zur Schule gegangen

und da war hier hinten noch ein Moorbad. Auf der Rückseite ist

man von hinten ran, das gehört ja auch noch mit zum Hof. Das

sah schon fast so aus wie jetzt, so zerfallen. Trotzdem wurden da

noch Heilbäder gemacht und so etwas. Wie eine große Waschküche

auf dem Hinterhof war das eigentlich.“

 

Aber Sie fänden es gut, wenn hier etwas draus gemacht wird?“

 

„Ja, auf jeden Fall. Das müsste auf jeden Fall erhalten bleiben,

egal in welcher Form. Erst einmal ist es stadtnah, für Studenten

zum Beispiel. Der Bahnhof ist bloß ein paar Meter weg – insgesamt

wäre das ideal, wenn man hier irgendetwas draus machen würde.“

 

„Also Ihr Herz hängt auch so ein bisschen an dem Ganzen?“

 „Ja! Hier unten zum Beispiel, wenn Sie hier durchgehen am City

Park Hotel, da ist ein Haus, das ganz neu gemacht ist. Das hat, glaube

ich, Jahrzehnte hier gestanden, völlig zerfallen, so wie der Hof.

Da waren die Scheiben, die Fenster alle raus. Das war noch zerfallener.

Und wenn Sie das heute sehen! Vor zwei Jahren ist das, glaube ich,

gemacht worden – wunderschön! Wenn man das weggerissen hätte...

Das ist ein richtiger Hingucker jetzt. Und ich denke mal, so wird es hier

genauso passieren. Oder sollte es genauso passieren!“

 „Ja, gucken Sie mal, das ist dieser Stempel, Wigra hieß es damals,

Willi Graßmann.“

 „Es war gerade eine Dame vorher da, die uns Fotos von ihren

Kolleginnen gezeigt hat. Und das waren fast nur Frauen in weißen

Kitteln.“

 

„Fast nur Frauen! Wir waren drei Schüler und dann war der Chef,

das war der Herr Rudi Graßmann. Das war der Sohn des alten Menschen,

der hier verstorben war. Und dann war noch ein ganz alter Herr –

Krusche hieß er. Wir haben immer gesagt ‚Opa Krusche’. Der hatte

einen Pferdewagen, und mit diesem Pferdewagen habe ich mit ihm

zusammen Verkaufsstellen beliefert. Also von diesen ganzen Produkten,

die die Verkaufsstellen bekommen haben, sind wir im Winter mit

diesem Pferdewagen hier herumgefahren, haben es aufgeladen und

haben es dort abgeladen.“

 

„Und es stimmt schon auch, dass die Pferde den Weg schon kannten?

Haben wir eben so gehört!“

 

„(Lacht), ja so ähnlich! Genau. Eine Dame, sie wird wahrscheinlich

schon verstorben sein – hier drüben standen im Keller die ganzen

Weinballons und so etwas. Und die gluckerten ja alle so vor sich hin.

Und wir mussten ja alles machen, da mal helfen, dort mal helfen.

Und ich weiß noch, diese Dame musste den ganzen Tag an den

Weinballons kurz kosten, wie weit der Wein ist. Die war immer

angerissen, angeschlagen! Sie ist – weiß ich noch – immer mit

Gummistiefeln, aber immer lustig. Dass man nie volltrunken war,

aber immer in einem Stadium, dass es gerade noch so ging!“

 „Berufsalkoholiker.“

 „Und das war auch noch eine kuriose Geschichte: Dann hat man

Deputat gekriegt und ich meine – gut, wir waren noch Jugendliche,

nicht? Und dann konnte man sich etwas aussuchen, außer Schnaps

natürlich und Weine. Aber diese Weingetränke, die es damals gab,

Vipa und Virola, das waren weinhaltige Erfrischungsgetränke.

Und die haben zu der Zeit schon 72 Pfennig gekostet. Das war ein

großer Preis gewesen für eine Flasche 0,33. Und diese konnten wir

mitnehmen, jeden Tag durften wir drei Flaschen jeder. Das hat man

ja nicht geschafft. Wir haben zum Frühstück getrunken, zu Mittag

und das hat ja auch ein bisschen durchgeschlagen. Also nach drei

Tagen musste man erstmal zwei Tage stoppen, damit man nicht zu

jedem Essen... Sonst ist man ja gar nicht mehr von der Toilette

runtergekommen.“

 „Herr Henoch, vielen Dank für das Interview.“